Teamrollen und Rollenarbeit: Teamentwicklung neu gedacht

Teamrollen und Rollenarbeit: Teamentwicklung neu gedacht

In einem Team, heißt es, übernimmt jedes Mitglied eine bestimmte Rolle. Wenn diese Teile gut zusammen passen, dann arbeite das Team rund, dann funktioniere es gut.

Wenn ich das Wort „Rolle“ höre – klar frage ich sofort nach dem Zusammenhang mit dem Theater, und natürlich wurde der Begriff nicht willkürlich gewählt, sondern beinhaltet viele Parallelen zur Arbeit auf der Bühne.

Wie kann Theaterarbeit mit Teamrollen aussehen?

Das Modell

Bei einer Workshop-Konzeption beginnt man ja oft am Ende: was will ich erreichen? In diesem Fall möchte ich, dass die Teilnehmenden unterschiedliche Arten von Teamrollen kennen lernen, sie selbst ausagieren und danach reflektieren, inwieweit welche „Rolle“ für sie nun selbst passt, oder ob dieses Konzept der Teamrollen für die Bedürfnisse des Teams angepasst werden muss.

Dies geschieht bei mir natürlich nicht (nur) über Theorie und Diskussion, sondern durch das aktive Tun.

Der Einfachheit halber nehme ich das allgemein anerkannte Rollenmodell nach Meredith Belbin (siehe Beitragsbild). Der Engländer Meredith Belbin, Professor der Psychologie, beschäftigte sich in den 70er Jahren mit dem Verhalten der Mitglieder in Teams und untersuchte die Auswirkungen verschiedener Persönlichkeitstypen auf die Teamleistung. (Selbsteinschätzung von Stärken und Schwächen und Überprüfung durch außenstehende Beobachter).

Nach Belbin arbeiten Teams dann effektiv, wenn sie aus einer Vielzahl heterogener Persönlichkeits- und Rollentypen bestehen.

Belbin identifizierte neun Typen, durch die ein Team besonders gut arbeitet:

  • drei handlungsorientierte Teamrollen: Umsetzer (Implementer), Perfektionist (Completer, Finisher) und Macher (Shaper)
  • drei kommunikationsorientierte Teamrollen: Koordinator (Coordinator), Teamarbeiter (Teamworker) und Wegbereiter (Resource Investigator)
  • drei wissensorientierte Teamrollen: Neuerer (Plant), Beobachter (Monitor-Evaluator) und Spezialist (Specialist)

Die Kritik an diesem Modell bezieht sich auf die Definition und die starre Zuordnung von Rollen, die sich oft nicht alle zusammen in einem Team finden lassen. Darüber hinaus sind die Teammitglieder meist nicht genau einer, sondern mehreren Rollen zuzuordnen. Aber als Orientierung für ein Team und zur Reflexion über die gemeinsame Arbeitsweise gibt es sicher genügend Impulse.

Eine gute Übersicht über das Modell gibt auch dieser Artikel.

Rollenkarten

Im Folgenden sind die Teamrollen nach Aufgaben, Stärken und Schwächen aufgeschlüsselt. Erinnert Euch an die Listen von Keith Johnstone! Es ist wichtig, die Rollen in ihren Eigenschaften zuzuspitzen, damit das Spiel mit den Typen nicht an der „Realität“ festklebt, sondern die Figuren sehr klar hervortreten. Nur so kann im ersten Schritt ein erfolgreicher Vergleich zwischen den einzelnen Typen gezogen werden.

TeamrolleBeitragStärkenSchwächen
Handlungsorientierte Rollen
Umsetzer/-inSorgt dafür, dass Ideen und Pläne in die Tat umgesetzt werden.
Liefert praktische Ansätze und strukturiert die Vorgehensweise.
Diszipliniert, praktisch, organisiert, verlässlich, effizient. Hohe Arbeitsleistung.Unflexibel, reagiert zögerlich und langsam auf Veränderungen. Drängelt gern, ist ungeduldig mit Teamkollegen, das Ergebnis zählt.
Perfektionist/-inSorgt für gewissenhaftes Arbeiten und das Einhalten von Terminen. Schließt Begonnenes ab, prüft auf Fehler.Sorgfältig und gewissenhaft, genau, zuverlässig, pünktlich, gründlich.Macht zuviel selbst, delegiert kaum und verliert den Überblick, ist überängstlich und kontrolliert Vorgänge mehrfach.
Macher/-inFordert das Team heraus, sich zu verbessern. Will Hindernisse überwinden, arbeitet gut unter Druck.Dynamisch, erfolgsorientiert, mutig, ist aufgeschlossen und voller Antriebskraft.Neigt zu Provokationen, ist ungeduldig und bringt Unruhe ins Team. Kommt erst ins Handeln, wenn die Ziele erkennbar sind, und wirkt dadurch arrogant.
Kommunikationsorientierte Rollen
Koordinator/-inAgiert als Entscheider, koordiniert das Team und achtet auf Erreichung der Ziele. Sorgt für praktikable Arbeitspläne und systematische Arbeitsweise.Ruhig, selbstsicher, entschlusskräftig, kommunikativ, wertschätzend, klar, beherrscht.Delegiert auch die eigene Arbeit gern, wirkt manipulierend, wenig eigene Kreativität oder Spezialisierung.
Teamarbeiter/-inAchtet auf gute Zusammenarbeit, sorgt für ein gutes Betriebsklima.Kooperativ, einfühlsam und diplomatisch. Beziehungsorientiert und kommunikativ.In kritischen Situationen unentschlossen, zögerlich, konfliktscheu, überlässt Entscheidung anderen.
Wegbereiter/-inSorgt für Kontakte und untersucht externe Quellen. Findet neue Wege für das team.Aufgeschlossen, enthusiastisch, extrovertiert, knüpft gern Kontakte und greift Ideen auf.Neigt zu Überoptimismus und verliert schnell das Interesse, schweift ab.
Wissensorientierte Rollen
Neuerer/ ErfinderinBringt neue Ideen und Lösungsansätze ein, sucht Alternativen und unkonventionelle Wege.Kreativ, einfallsreich, denkt unorthodox, fantasievoll, Individualist.bersieht oft praktische Aspekte, ist verträumt, unkonzentriert. Ignoriert Details, dabei wenig kritikfähig.
Beobachter/-inAnalysiert Optionen auf Umsetzbarkeit, verhindert Fehlentscheidungen.Analytisch, strategisch, streng, konzentriert, nüchtern, diskret.Manchmal taktlos und herablassend, zynisch, skeptisch, Mangel an Eigenantrieb.
Spezialist/-inLiefert gründliches Fachwissen und Informationen.Zielstrebig, engagiert, antriebsstark, hohe Fachkompetenz.Technischer Pedant, verliert sich oft in Details und verliert den Überblick.

(Vgl. auch diese Seite.)

Literarische Vorbilder

Manchmal sind die Rollentypen zu nah an der persönlichen Realität, so dass es sinnvoll sein kann, sich literarische Vorbilder zu Hilfe zu nehmen. In diesem Fall bietet sich prototypisch das Stück „König Lear“ von William Shakespeare an.

Im Beitrag „König Lear“ als Modell für Aufstellung und Training hatte ich schon schon angekündigt, dass man damit gut im Bereich Teamcoaching arbeiten kann, da sich die Teamrollen auch in der Figurenkonstellation wiederfinden.

TeamrolleFigur
UmsetzerKönig von Frankreich/ Regan
PerfektionistGoneril
MacherKönig Lear/ Edmund
KoordinatorHerzog von Albany
TeamarbeiterGraf von Kent
WegbereiterEdgar
NeuererCordelia
BeobachterNarr
SpezialistHerzöge Gloster/ Cornwall

Eigentlich ein gutes Team, nur haben die Mitglieder alle unterschiedliche Interessen…

Als Umsetzer habe ich den König von Frankreich gewählt, weil er sich vorgenommen hat, Cordelia zur Frau zu nehmen und sich dann auch nicht von ihrer Enterbung abschrecken lässt. Ihrem Vater kommt er zu Hilfe, als  der vor dem Sturz steht. Er ist organisiert und verlässlich. Für Regan gilt das auch, wenn auch in anderer Hinsicht. Sie setzt gewissenhaft die Pläne gegen ihren Vater um, wobei diese in erster Linie von ihrer Schwester Goneril entworfen wurden.

Goneril zählt zu den Perfektionisten, weil sie gewissenhaft alle Fäden in der Hand hält, um das Reich an sich zu ziehen, und den Ablauf in allen Details kontrolliert.

König Lear zählt definitiv zu den Machern, auch wenn (oder gerade weil) er nicht immer die richtigen Entscheidungen trifft. Er ist ungeduldig und voller Energie. Ähnliches gilt für Edmund, der zielstrebig und dynamisch erst seinen Vater und seinen Halbbruder und dann die Königsfamilie gegeneinander ausspielt.

Vielleicht ist der Herzog von Albany am ehesten der Koordinator. Er entscheidet sich aktiv gegen die feindlichen Absichten seiner Ehefrau Goneril. Dennoch bleibt er passiv und delegiert den Kampf um die Macht an andere, insbesondere Edgar: „In eure Hand Leg ich das Reich, heilt das versehrte Land.“ (Albany, V,3).

Graf von Kent ist ein Teamarbeiter. Zwar widersetzt er sich anfangs dem König bis zur Verbannung, doch steht er dabei treu zu Cordelia. Später hilft er dem König loyal auf seiner Irrfahrt. Selbst will er aber keine höheren Aufgaben übernehmen.

Als Wegbereiter kann man Edgar beschreiben. Er sucht nach Lösungen und bringt die Gruppe um Cordelia, Kent und Lear wieder zusammen. Er ist begeisterungsfähig und ergreift seine Chancen. Evtl. wird er der neue König.

Wer ist der Neuerer/ die Erfinderin? Hier tendiere ich zu Cordelia, die zum einen eine zwar naheliegende, aber doch unkonventionelle Antwort auf die Frage des Königs findet, welche alles in Gang bringt. Später kommt sie mit dem König von Frankreich zurück, um sich aktiv einzubringen.

Der Beobachter ist ganz klar der Narr. Dessen Beschreibung („analysiert Optionen, verfügt über gutes Urteilsvermögen, manchmal zynisch, skeptisch“) passt sehr genau auf diese Figur.

Als Spezialisten habe ich die Herzöge von Gloster und von Cornwall ausgemacht, jeder auf seinem Gebiet. Gloster ist ein erfahrener Regent in Lears geordnetem Staat, doch als das Reich zu verfallen droht, kann er sich nicht helfen und erkennt auch nicht das Komplott seines unehelichen Sohnes. Cornwall erscheint als dumpfer, roher, unbewusster Bösewicht, gut als Schläger, aber ohne Überblick, und wird zum Schluss von einem einfachen Diener ermordet.

Improvisation

In der Improvisation kann man nun die Figuren, sei es als Teamrolle oder als Shakespeare-Figur, in den unterschiedlichsten Zusammenhängen aufeinander treffen lassen.

(Natürlich nicht ohne den idealtypischen Aufbau zu beachten…).

Das kann mit einfachen Geschichten funktionieren (Familientreffen, eine Überraschungsparty organisieren…), durch die man zunächst ein Gespür für die eigene Rolle bekommt, konkrete Anliegen aus dem Berufsalltag (z.B. Aufbau eines Qualitätsteams, Einarbeitung der „Neuen“…) oder auch anhand der Geschichte des König Lear, die viele Anhaltspunkte gibt, um eigene Themen zu erarbeiten, siehe auch hier nochmal den entsprechenden Beitrag.

Viel Spaß!

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