Der öffentliche Raum als Bühne

Der öffentliche Raum als Bühne

Theater spielen kann man eigentlich überall. Es braucht nicht einmal eine große Bühne, sondern es genügt der öffentliche Raum.

Wenn wir annehmen, Theater ist:

A spielt B und C schaut zu. (ABC-Formel nach Eric Bentley),

dann brauchen wir eigentlich nur ein Bewusstsein darüber, dass wir spielen (als DarstellerInnen) und darüber, dass gespielt wird (als Publikum). Und schon haben wir es mit Theater zu tun.

Doch gilt auch die reduzierte Formel: A handelt und C schaut zu? Sehen wir schon Theater, wenn wir andere in ihrem Handeln beobachten?

Ich stelle ein paar alltägliche Orte aus dem eigenen Umfeld vor, die durchaus als Theaterbühne taugen würden. Dann stellt sich die Frage, ab wann wir es denn genau mit Theater zu tun haben. Schließlich folgt ein Exkurs zum Unsichtbaren Theater, das zweifelsfrei Theater ist, aber nicht als solches erkannt werden will.

Öffentliche „Bühnen“

Theater ist an allen möglichen Orten wie Fußgängerzonen, Parkhäusern, Supermärkten oder Privatwohnungen möglich. Schon in der Antike fanden Theaterstücke auch auf Marktplätzen statt, wobei die umliegenden Häuser als Kulissen dienten.

Im 20. Jhd. sollte mit dem Theater an öffentlichen Orten die Grenze zwischen Kunst und Leben konkret aufgehoben werden.

Theater kann damit eigentlich überall dort stattfinden, wo Menschen sind.

 

Schon eine kleine Erhöhung reicht aus, um einen Nicht-Theater-Ort als eine Bühne zu kennzeichnen.

 

Theater gelingt in den kleinsten Räumen, sei es ein Fahrstuhl, ein Bus/ Straßenbahn oder eine Telefonzelle. Hierzu ein Beispiel vom FTF-Theater oder die „sprechenden“ Telefonzellen in Leipzig.

 

Örtliche Gegebenheiten können als Bühnenbild im Hintergrund dienen oder aber auch direkt bespielt werden. Beispielhaft sind Treppen mit verschiedenen Ebenen, Baugerüste oder Fenstertheater auf mehreren Stockwerken.

A propos Treppen: Man findet sie überall…

Der Bundesverband Theater im öffentlichen Raum e.V. , in dem sich EinzelkünstlerInnen und Ensembles, Festivals,  AgentInnen und mehr zusammen geschlossen haben, gibt einen vielfältigen Überblick über die Gruppen und Formate.

Wann beginnt Theater?

Da mich die Frage immer noch beschäftigt und wir in den von mir gehaltenen Seminaren mit Studierenden keine befriedigende Antwort finden konnten, habe ich einfach mal ChatGPT gefragt, ab wann man denn von Theater sprechen kann, und bekam eine überraschend präzise Antwort:

Dramaka: Wenn Menschen nicht wissen, dass sie Darsteller auf einer Bühne sind, kann man dann trotzdem von Theater sprechen?

ChatGPT: Ja, man kann immer noch von Theater sprechen, selbst wenn die Menschen nicht wissen, dass sie Darsteller auf einer Bühne sind. Theater bezieht sich nicht nur auf die bewusste Teilnahme an einer Inszenierung, sondern auch auf die Kunstform selbst. Es umfasst die Aufführung von Stücken, die Nutzung von Bühnenbildern, Kostümen, Beleuchtung und anderen theatralischen Elementen, um Geschichten zu erzählen und Emotionen auszudrücken.

In einer Situation, in der Menschen sich nicht bewusst sind, dass sie Teil eines Theaters sind, könnte dies als eine Art verdecktes Theater oder immersive Theatererfahrung betrachtet werden. Diese Art des Theaters kann dazu dienen, die Grenzen zwischen der Bühne und dem Publikum zu verwischen, um ein intensiveres und persönlicheres Erlebnis zu schaffen. Obwohl die Darsteller möglicherweise nicht wissen, dass sie auf einer Bühne stehen, kann das Stück dennoch Theater sein, da es die Merkmale und Elemente des Theaters aufweist.

Es ist wichtig zu beachten, dass Theater auch außerhalb traditioneller Bühnenräume stattfinden kann. Straßentheater, improvisiertes Theater und andere Formen des experimentellen Theaters können an verschiedenen Orten und mit unterschiedlichen Grad an Bewusstsein der Darsteller stattfinden. Letztendlich ist Theater eine kreative Ausdrucksform, die die Fähigkeit hat, Menschen zu bewegen und Geschichten auf vielfältige Weise zu erzählen.

Dramaka: Ja, ich beobachte Menschen auf der Straße und kann bestimmte Rollen in ihnen erkennen.

ChatGPT: Wenn du Menschen auf der Straße beobachtest und bestimmte Rollen in ihnen erkennst, kannst du dies als eine Art soziales oder psychologisches Beobachten betrachten. Du interpretierst ihr Verhalten, ihre Gesten, ihre Interaktionen und versuchst, Muster oder Charakteristiken zu erkennen, die bestimmte Rollen oder Archetypen repräsentieren könnten. Dieses Beobachten und Interpretieren von Verhalten ist ein interessanter Ansatz, um menschliches Verhalten und soziale Dynamiken zu analysieren.

Es ist wichtig zu beachten, dass deine Interpretationen subjektiv sein können und von deinen eigenen Erfahrungen, Überzeugungen und Vorurteilen beeinflusst werden könnten. Die Wahrnehmung von Rollen und Charakteren in anderen Menschen kann sowohl auf tatsächlichen Merkmalen basieren als auch auf Vermutungen oder Projektionen. Es ist daher ratsam, offen zu bleiben und zu bedenken, dass die wahre Natur eines Menschen komplexer sein kann als das, was oberflächlich sichtbar ist. (…)

Dramaka: Ist das Beobachten und Interpretieren von Menschen auf der Straße durch mich (Publikum) schon Theater?

ChatGPT: Das Beobachten und Interpretieren von Menschen auf der Straße durch dich als Publikum kann als eine Art theatralische Erfahrung betrachtet werden, allerdings nicht im traditionellen Sinne des Theaterbesuchs. Es hat gewisse Parallelen zum Konzept des „Straßentheaters“ oder des „öffentlichen Theaters“, bei dem theatralische Elemente außerhalb herkömmlicher Theaterstätten präsentiert werden.

In diesem Kontext könntest du das Straßengeschehen als eine Art lebendiges Bühnenbild betrachten, in dem Menschen ihre alltäglichen Rollen spielen. Du beobachtest sie und versuchst, ihre Handlungen, Verhaltensweisen und Geschichten zu interpretieren.

Dies kann eine Form der künstlerischen Auseinandersetzung mit der Realität sein, bei der du als Zuschauer eine aktive Rolle einnimmst und eine narrative oder interpretative Dimension in die alltägliche Realität einbringst. (ChatGPT, persönliche Kommunikation, 13.06.23)

Interessant, denn so habe ich das auch gesehen, die Beobachtung der „Welt“ als eine künstlerische Auseinandersetzung mit ihr.

Unsichtbares Theater

In dem Zusammenhang ist mir auch eine Theaterform von Augusto Boal in den Sinn gekommen, das sog. „Unsichtbare Theater“. Hier wird gerade kein Erkennen als Theaterspiel beabsichtigt, denn es handelt sich um eine inszenierte Förderung von Zivilcourage.

Unsichtbares_Theater Dramaka
Unsichtbares Theater auf einem öffentlichen Platz in Wien.

Eine Unterdrückungssituation (ein aktuelles, brisantes Thema) wird an einem öffentlichen Ort mit Schauspielenden simuliert. Die Reaktionen der Zuschauenden, also zufällig Beteiligter, werden dabei beobachtet und sogar herausgefordert. Dass es sich um eine gespielte Simulation handelt wird keinesfalls aufgelöst.

Es gibt mehrere Protagonisten verschiedener Parteien, damit sich eine Diskussion der „unbeteiligten Beteiligten“ entwickelt. Ziel ist es, Menschen in ihrem Alltag auf Missstände aufmerksam zu machen (Rassismus, Diskriminierung oder politische und soziale Probleme), zum Handeln zu motivieren und ihr Eingreifen gegen Ungerechtigkeiten positiv zu unterstützen.

Wir wissen aus der Praxis, dass das eigene Erleben von erfolgreicher Zivilcourage ein mutiges Einschreiten in der Öffentlichkeit festigt.

Ein Beispiel für ein „Unsichtbares Theater“-Projekt beschreibt Augusto Boal selbst in seinem Buch über sein „Theater der Unterdrückten“ (Ffm. 101989).

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