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Category: Essays

Hieronymus Bosch und die Alten

Hieronymus Bosch und die Alten

Es ist nicht neu, dass ich in der Altenpflege arbeite, und diese Arbeit ist für mich absolut sinnstiftend. Sie erlaubt es mir, mich dem neoliberalen Kreislauf der Zwangsoptimierung zu entziehen und trotzdem notwendige Arbeit zu leisten. Außerdem macht sie Spaß, das ist auch nicht zu unterschätzen.

Manchmal aber ist die Arbeit mit den alten Menschen nicht ganz einfach, besonders wenn diese unter schweren körperlichen Krankheiten zu leiden haben, oder eine Demenz ihnen nicht mehr erlaubt, überlegt und zielgerichtet zu handeln oder sich zu äußern.

Nicht wenige Male ist mir in diesen Momenten der niederländische Maler Hieronymus Bosch eingefallen, der im 16. Jahrhundert gewirkt hat. Viele kennen ihn durch sein Werk „Das Jüngste Gericht“. Ich ebenso.

Sehr oft musste ich Vergleiche ziehen von seinen gemalten Beschreibungen der Hölle zu den Qualen, die meine Bewohnerinnen und Bewohner zuweilen zu ertragen haben.

Aus diesem Grund möchte ich dieses Kunstwerk einmal unter diesem Gesichtspunkt betrachten.

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Der Verlust (des Vertrauens in die Politik)

Der Verlust (des Vertrauens in die Politik)

Ich bin eine begeisterte Onleiherin, d.h. ich leihe mir ständig Bücher in meiner Stadtbibliothek online aus. Immer mal wieder schaue ich dabei, was denn andere so lesen, z.B. über die Bücher, die zuletzt zurück gegeben worden sind. Dadurch bin ich auf das Buch „Der Verlust“ der Journalistin Anita Blasberg (Hamburg 2022) aufmerksam geworden.

Anita Blasberg, der Verlust, Cover

Der Untertitel lautet: „Warum nicht nur meiner Mutter das Vertrauen in unser Land abhandenkam“.

Inspiriert von Gesprächen mit ihrer Mutter im Corona-Jahr 2021 stellt sich Blasberg die Frage, seit wann das Verhältnis zwischen BürgerInnen und Politik so angespannt, wenn nicht sogar entzweit ist.

„Ich glaube an fast gar nichts mehr.“ (Mutter Blasberg)

So wie sie hatte Ende 2021 fast jeder Dritte das Vertrauen in die Demokratie verloren, mehr als Drittel glaubt, dass es keinen Unterschied mehr macht, wer dieses Land überhaupt regiert.1Studie der Körber-Stiftung 2021, a.a.O. (S. 14). Die globale Welt scheint gespalten, die Politik befindet sich in vielen Ländern in einer Legitimationskrise. Blasberg fragt in diesem Buch nach den Gründen.

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Postkoloniale afrikanische Positionen

Postkoloniale afrikanische Positionen

Schon mehrfach habe ich in diesem Blog über deutschen Kolonialismus in Afrika und die berechtigte Forderung nach Rückgabe gestohlener Kunstgüter an die rechtmäßigen Nachkommen geschrieben (vgl. Kolonisierung und Restitution).

Bei meinem Besuch in Namibia 2023 – deutsche Kolonie 1884 bis 1915 – war mir vor Ort aufgefallen, dass zwar die Kolonialgeschichte aus Sicht der Besatzer bis heute öffentlich sichtbar und wirksam ist. Der Umgang der NamibierInnen damit aber ist alles andere als der von Opfern. Im Gegenteil, hier wird mit der zunehmend erforschten Geschichte eines Volkes (bzw. vieler Volksgruppen in dem Land) selbstbewusst eine neue Kultur demonstriert, die sich ihre Identität fern aller eurozentrischen Zuschreibungen erarbeitet. Das finde ich ganz wichtig und bemerkenswert!

Afrikanische politische Philosophie

afrikanische-politische-philosophie-suhrkamp

In dem Band „Afrikanische politische Philosophie“ soll genau diese im Zentrum stehen, er ist herausgegeben von Franziska Dübgen und Stefan Skupien im Suhrkamp Verlag, Berlin 2015.

Im Übrigen erzählt das auch etwas über meine eigene Erkenntnisgeschichte, denn diese Positionen wurden schon vor immerhin acht Jahren veröffentlicht, bis ich jetzt selbst darauf gestoßen bin. In der kommenden Zeit werde ich hier über eine Auswahl der Beiträge referieren, die allesamt hochspannend klingen.

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Ich baue ein Papiertheater – Selbstversuch

Ich baue ein Papiertheater – Selbstversuch

Irgendwie bin ich auf domestica.org aufmerksam geworden. Auf dieser Homepage bieten Künstlerinnen und Künstler Video-Kurse an, und einer davon hat mich gleich angesprochen.

Es geht darum, ein eigenes Papiertheater zu illustrieren und zu bauen und darin eine Geschichte zu erzählen. Die Künstlerin selbst hat das am Beispiel von Mary Shelleys Frankenstein erläutert.

Voraussetzung war nur, dass man vertraut sein solle mit dem Zeichenstift.

Bin ich aber überhaupt nicht. Hab ich schon öfter mal versucht, auch mit dem Pinsel, und es kam nie das raus, was ich mir vorgestellt hatte. Die Ergebnisse waren einfach „flach“ und sinnlos. Ich kann das einfach nicht, Zeichnen. Malen im Übrigen auch nicht. Macht aber nix, man muss nicht alles können.

Trotzdem fand ich die Idee so charmant, zumal ich gerade auch eine persönliche Geschichte zu erzählen und zu verarbeiten hatte, so dass ich überlegt habe, wie ich diese Aufgabe am besten bewerkstelligen könnte. Zudem in einer überschaubaren Zeit, denn geduldiges Friemeln ist oft auch nicht meine größte Stärke.

Hier berichte ich über den Entstehungsprozess und das Ergebnis.

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Pawlow im Sport: Von der Gewohnheit zur Sucht?

Pawlow im Sport: Von der Gewohnheit zur Sucht?

Beobachtungen im Fitness-Studio

Oft beobachte ich die Angewohnheit, dass die erste sportliche Handlung im Studio der Griff zum Smartphone ist.

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Der folgende Ablauf hat mich aber wirklich nachdenklich gemacht. Viele Griffe zum und Blicke aufs Handy erfolgen nach einer kurzen Trainingsphase, also z.B. einem Satz, und zwar vor allem an den geführten Geräten.

Kann man sich auf diese Art eine Sucht danach regelrecht antrainieren? Das hat mich interessiert.

Denn besteht die (selbst gestellte) Aufgabe beispielsweise in drei Sätzen à 15 Wiederholungen,  gibt es keine kurze Verschnaufpause zwischen den Sätzen, sondern jeweils eine längere – sagen wir – „Konzentrationspause“, um die neuen Nachrichten und Neuigkeiten zu prüfen. In dieser Zeit fällt aber die Herzfrequenz schon so deutlich ab, dass eine Höchstleistung oder zumindest ein effektives Training gar nicht mehr möglich ist.

Das Fatale finde ich gar nicht den Umgang mit dem Smartphone an sich oder die Ineffektivität des Trainings. Mir scheint vielmehr, hier wird vorsätzlich eine Gewohnheit hergestellt: Man arbeitet kurze Zeit und „belohnt“ sich dann mit einem Blick aufs Handy.

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Der Kongo in Antwerpen

Der Kongo in Antwerpen

Demnächst fahre ich als Touristin nach Antwerpen, und natürlich kommt mir da die belgische Vergangenheit als Kolonialmacht in den Sinn, über die ich dann berichten will.

Und die es in  sich hat, finde ich, da sie bis heute wenig Resonanz in der belgischen Gesellschaft findet. Gleichzeitig werde ich mich im flämischen Teil des Landes aufhalten, während es ja auch noch den wallonischen/ französischsprachigen Teil und den kleinen deutschsprachigen im Osten gibt.

Mich interessiert, ob ich öffentliche Zeichen der Kolonialzeit finde und mit welcher Intention sie ausgestellt werden.

Hier zunächst ein Abriss der belgischen Kolonialherrschaft im Kongo um die vorletzte Jahrhundertwende.

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Namibia: Geschichte und Gegenwart

Namibia: Geschichte und Gegenwart

Deutschland hatte um 1900 viele Kolonien, darunter Teile von China, Inseln im Süd- und Westpazifik und mehrere Länder in Afrika, auch Namibia im Südwesten des Kontinents.

Mein Interesse an der deutschen (und europäischen) Kolonisierungsgeschichte begann mit der Diskussion um die Benin-Bronzen.

Und mit dem Gefühl von Ungerechtigkeit und Mangel an Aufarbeitung aus dieser Zeit.

Ich begann über die deutsche Kolonialgeschichte zu recherchieren, über die ehemaligen deutschen Kolonien und ihre geschichtliche und ökonomische Entwicklung nach deren Unabhängigkeit.

Nun habe ich mich selbst zwei Wochen in Namibia aufgehalten. Es war meine Anteilnahme an dieser durch die Kolonisierung so fatal mit Deutschland verbundenen Geschichte dieses Landes, die mich dorthin geführt hat.

Deshalb möchte ich hier von der deutschen Kolonialgeschichte in Namibia erzählen, aber auch von der Zeit danach ab 1918, denn diese zweite Kolonialisierung durch Britisch-Südafrika prägte die Nation weiter entscheidend bis zu ihrer Unabhängigkeit im Jahr 1990. Und bis heute.

Und trotzdem sind die Menschen dort so aufgeschlossen und freundlich, als hätte es diese Zeiten nicht gegeben. Kaum zu glauben – und bemerkenswert.

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Benin-Bronzen werden an Nigeria zurück gegeben

Benin-Bronzen werden an Nigeria zurück gegeben

Erster Schritt zur Wiedergutmachung

Im Dezember 2022 erschien eine gute Nachricht: Außenministerin und Kulturstaatsministerin übergaben in der Hauptstadt von Nigeria, Abuja, 20 bronzene Skulpturen.

Entstanden ab dem 16. Jahrhundert im damaligen Königreich Benin, waren sie unter der Kolonialherrschaft Großbritanniens nach Europa gebracht, d.h. gestohlen, und dort auch an deutsche Museen verkauft worden.

Ich konnte zum Jahreswechsel 21/22 die Benin-Bronzen im Hamburger Museum MARKK (Museum am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt) sehen und war sehr beeindruckt. Auch die dort ausgestellten Werke gehören Nigeria, können aber – inzwischen als Leihgaben – weiterhin gezeigt werden.

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