Irgendwie bin ich auf domestica.org aufmerksam geworden. Auf dieser Homepage bieten Künstlerinnen und Künstler Video-Kurse an, und einer davon hat mich gleich angesprochen.

Es geht darum, ein eigenes Papiertheater zu illustrieren und zu bauen und darin eine Geschichte zu erzählen. Die Künstlerin selbst hat das am Beispiel von Mary Shelleys Frankenstein erläutert.

Voraussetzung war nur, dass man vertraut sein solle mit dem Zeichenstift.

Bin ich aber überhaupt nicht. Hab ich schon öfter mal versucht, auch mit dem Pinsel, und es kam nie das raus, was ich mir vorgestellt hatte. Die Ergebnisse waren einfach „flach“ und sinnlos. Ich kann das einfach nicht, Zeichnen. Malen im Übrigen auch nicht. Macht aber nix, man muss nicht alles können.

Trotzdem fand ich die Idee so charmant, zumal ich gerade auch eine persönliche Geschichte zu erzählen und zu verarbeiten hatte, so dass ich überlegt habe, wie ich diese Aufgabe am besten bewerkstelligen könnte. Zudem in einer überschaubaren Zeit, denn geduldiges Friemeln ist oft auch nicht meine größte Stärke.

Hier berichte ich über den Entstehungsprozess und das Ergebnis.

Mein Medium ist durchaus das Visuelle, aber ganz klar im Raum und nicht auf einer Leinwand. Deshalb liebe ich die Bildhauerei. Daran habe ich mich durchaus schon versucht, und meine „Bilder“ sind viel mehr Installationen geworden.

Das Stück

Es geht darum, den Text zu interpretieren, nicht ihn zu wiederholen, sagt Elena Odriozola Belástegui, und daran halte ich mich. Ich habe ein Stück ausgewählt, das mich schon lange und immer wieder in den unterschiedlichsten Zusammenhängen begleitet, nämlich König Lear von William Shakespeare. Wer nun denkt, „schon wieder? hatten wir doch schon mehrfach“ (siehe hier und hier) – ja! Und diesmal nähere ich mich dem Stück wieder auf eine andere Weise – haptisch und sehr persönlich.

Das Grundthema sind die falschen Entscheidungen eines alten Mannes, die zur Katastrophe führen.

1. Cordelia, die jüngste Tochter, wird verstoßen, weil sie sich nicht auf Lügen und Schmeicheleien einlassen will. Sie geht nach Frankreich.
2. 2Schwestern sind die Nutznießerinnen. Da sie meist zusammen agieren, sind 2Schwestern eine einzige Figur. Sie wenden sich gegen Lear, nachdem der ihnen sein Reich vermacht hat.
3. Lear wird daraufhin wahnsinnig und flieht in den Wald.
4. Zu gleichen Zeit schmiedet Edmund, der uneheliche Sohn des Grafen Gloster, eine Intrige gegen seinen Halbbruder, den rechtmäßigen Thronerben. Daraufhin erhält Edmund die Grafenkrone.
5. Gloster, der nun um sein Leben fürchten muss, und Edgar fliehen in den Wald, werden aber von 2Schwestern angegriffen. Gloster erblindet.
6. Cordelia kommt ihrem Vater mit dem französischen Heer zu Hilfe, wird aber von den von Edmund angeführten Engländern besiegt.
7. Edgar tötet Edmund, der jedoch noch das Todesurteil über Lear und Cordelia verhängen kann.
8. Die eine Schwester, Goneril, tötet die andere, Regan, aus Eifersucht.
9. Goneril tötet sich selbst, weil ihre Verbrechen aufgedeckt wurden.
10. Cordelia stirbt am Galgen.
11. Lear stirbt an gebrochenem Herzen.
12. Edgar nimmt schließlich den Thron ein.

Ich liebe es!

Materialien

• schwarzes, silbernes und hellblaues Tonpapier Din A4
• Korken
• Perlen
• Heißklebepistole
• kleine und große Schere
• schwarzer Stift

Figurenskizzen entwerfen

Man braucht nun normalerweise verschiedene Positionen und Ausdrücke der Figur, ähnlich einem Film. Da meine Charaktere aber stark stilisiert sind, werden sie sich nur durch ihre Haltung zueinander, ihre Ebene oder ihre Position (stehend, liegend) äußern.

Denn die Figuren sind einfache Korken. Die Blickrichtung wird gezeigt durch eine stilisierte Nase (Perle).

Als Charaktere sind sie gekennzeichnet durch den Hutschmuck, den sie tragen.

Bühnenskizze

Es handelt sich um eine Guckkastenbühne mit zwei Ein- bzw. Ausgängen rechts und links.

Der Hintergrund kann durch Prospekte verändert werden (Wald).

Bühnenelemente sind ein großer Thron (Lear), ein kleinerer Thron (Gloster) und ein Galgen (5. Bild, s.u.). Der kleinere Thron wird farblich verändert, einmal um ihn unterscheidbarer zu machen, zum anderen, um die Getreuen des Königs, zu denen Gloster gehört, kenntlich zu machen (vermutlich hellblau).

Technik

Zeichnen oder Malen von Figuren erübrigt sich hier, denn sie sind in ihrer Grundgestalt schon vorhanden.

Es wird eine Skizze geben für den Wald (Eding auf silbernem Tonpapier, nicht weiß).

Die Bühne wird mit Heißkleber aus schwarzem Tonkarton zusammengeklebt.

Szenenfolge

I. Thronsaal

1. König, 2Schwestern, Cordelia
2. 2Schwestern nah beim König, Cordelia abgewandt

II. Kleinerer Thron (Gloster)

1. Edmund und Gloster im Gespräch, Edgar abgewandt im Vordergrund (ahnungslos)
2. Gloster aufgeregt/ wütend, nimmt Edgar die Krone ab
3. setzt Edmund als Erbe ein (Krone auf), Edgar flieht

III. Leere Bühne

1. Lear und 2Schwestern gegenüber
2. 2Schwestern wenden sich ab
3. Lear fällt um

IV. Wald

1. Gloster und Edgar, 2Schwestern, Lear liegend im Hintergrund
2. Gloster und Edgar, Angriff der 2Schwestern, Gloster erblindet, Lear liegend im Hintergrund

V. Leere Bühne

1. Gegenüberstellung von 2 Heeren: 2Schwestern hinter Edgar + Cordelia und Lear mit Franzosen
2. Franzosen werden besiegt
3. Edgar tötet Edmund, Todesurteil an Lear und Cordelia (Galgen)
4. Goneril tötet Regan
5. Goneril tötet sich selbst
6. Cordelia stirbt
7. Lear stirbt

VI. Thronsaal

1. Edgar auf dem Thron

Praktische Umsetzung

Jetzt geht es an die praktische Ausarbeitung (Zeichnen, Ausschneiden, Kleben, dazu Texttafeln erstellen und Musik auswählen) und zum Schluss gibt es die Fotos und noch später einen Film.

Dokumentation

Hier schon einmal ein kleiner Einblick in die Anfänge. Das ganze Stück folgt dann später.

 

Musik und Sounds habe ich auf Pixabay gefunden.

Und heute, 26.11.23, habe ich den Film fertig gestellt – hurra! Here it is:

Bewertung des Kurses

Mich hat der Kurs auf jeden Fall inspiriert, selbst ein Thema auf die „Papierbühne“ zu stellen! Elena hat ganz oft einfach von sich gesprochen – also wie sie es macht, das fand ich gut. Deshalb habe ich mich – ohne Zeichenkentnisse – in dem Kurs gut aufgehoben gefühlt, und es war spannend, wie sorgfältig und durchdacht jemand anders an eine solche Aufgabe herangeht. Also gute Note für den Kurs von Elena Odriozola Belástegui!

Die Übersetzung auf deutsch war allerdings katastrophal, dass habe ich spätestens festgestellt, als ich den Ton abschalten musste, weil mir das rollende und wirbelnde Spanisch etwas zuviel wurde 😉

Aber dennoch – schaut, was aus meinem König Lear bisher geworden ist!

Endfassung

Ich war auch mit dem Gedanken an dieses Projekt heran gegangen, eine eigene Geschichte zu verarbeiten, und das habe ich noch nicht bewerkstelligt. Was bisher zu sehen ist – eine kleine krasse Geschichte ohne persönlichen Hintergrund. Deshalb bin ich noch immer dran und habe das Projekt noch längst nicht abgeschlossen.

Heute am 09.12.23 habe ich nun die Fassung hochgeladen, die meine Geschichte mittels des König Lear am besten erzählt. Damit ist also mein künstlerisches Projekt abgeschlossen. Enjoy!

Hier gibt es eine ausführliche Beschreibung dieser Fassung.