Vom Bild zur Szene – Theater und Coaching mit Kunst

Vom Bild zur Szene – Theater und Coaching mit Kunst

Bildende Kunst ist ein ganz realer Weg, wertvolle neue Erkenntnisse zu gewinnen. Noch eindrücklicher wird dies durch direkte Theaterarbeit am Gemälde.

Durch meinen Aufenthalt in Antwerpen durfte ich dieses Gemälde von Peter Paul Rubens – „Die Kreuzaufrichtung“ (1609-1610, s.o.) – in der Liebfrauenkirche „live und in Farbe“ sehen.

Dieses und weitere Kunstwerke haben mich sofort an meine Arbeit in der Museumspädagogik erinnert, bei der ich unterschiedliche Zielgruppen an Bilder oder Skulpturen herangeführt bzw. MuseumsmitarbeiterInnen mit theaterpädagogischen Methoden der Kunstvermittlung vertraut gemacht habe.

Hier berichte ich von diversen Kursen zu Theater und Coaching mit Kunst.

Am Anfang: Die Bildbetrachtung

Der Moment des ersten Betrachtens ist ein ganz besonderer, denn jedes Bild hat eine eigene Stimmung und löst im Betrachtenden ganz unterschiedliche Assoziationen aus. Deshalb ist es ganz und gar nicht notwendig, gleich von Anfang an mit Beschreibungen oder Fragen an das Bild zu beginnen. Besser, die Schauenden können sich erst einmal ohne Sprache ganz auf das Bild einlassen.

Wenn es dann an die Analyse geht, sind folgende Fragen für das Verständnis des Gemälde sinnvoll1vgl. auch https://www.kunst.realschule.bayern.de/fileadmin/user_upload/kunst_rs/4_Kunst_unterrichten/Fachspezifische_Methoden/Grundlagen_Bildbetrachtung.pdf:

Grundlagen der Bildbetrachtung

Für alle Bildwerke2„Bilder“ sind alle visuellen Erscheinungen und Erzeugnisse, also zwei- und dreidimensionale Werke bzw. Objekte. spielt die systematische Bildbetrachtung – bestehend aus sachlicher Beschreibung, Analyse der Gestaltungsmittel sowie Deutung bzw. Interpretation – eine wichtige Rolle. Diese folgt bestimmten Kriterien.

Die Bildbetrachtung enthält die Bereiche Bildbeschreibung (die sachliche und objektive Benennung des Wahrgenommenen), die Bildanalyse, d. h. die Analyse der Gestaltungsmittel sowie die Feststellungen von Autor/Künstler (ggf. im Werkzusammenhang) und der Benennung der Technik, sowie die Bilddeutung (Kontext von Funktion, Auftrag, Absicht, Deutung des Bildes in seiner Zeit und heute, subjektive Wirkung)

Die Theorie der Gestaltungsmittel und -prinzipien umfasst die Aspekte
Form (Wiedergabe der Wirklichkeit bzw. deren Umsetzung/ Ver-
änderung), Farbe (Farbqualität,- eigenschaften, -zusammenstellung),
Raum (Wiedergabe der räumlichen Wirkung bzw. deren Veränderung
oder Negierung) und Komposition (Formateinteilung, Anordnung der
Motive, Bildlinien) sowie Montage (in Bildfolgen und Film). Die Gestaltungsmittel spielen bei der Betrachtung der Werke der Bildenden und Angewandten Kunst eine zentrale Rolle. In eigenen praktischen Arbeiten werden sie auch „begreifbar“.

Eine besondere Rolle spielt die Deutung und – auch ganz
subjektive – Interpretation von Bildern im umfassenden Sinn:
Funktion und Deutung in der Zeit der Entstehung ggf. durch den Autor
oder Künstler selbst sowie die Funktion und Deutung in unserer Zeit /
subjektiv. Auch hier ist die Verknüpfung mit dem eigenen Tun und Denken wichtig.

Hier gibt es eine detaillierte Checkliste für die Bildbetrachtung.

Vom Bild zur Szene

Masken und kreatives Schreiben

In einem Projekt mit SchülerInnen einer 5. Klasse entstand eine theaterpädagogische Auseinandersetzung mit einem Gemälde über das Maskenspiel. Hier gibt es einen von den beteiligten Anleiterinnen verfassten Bericht:

Das Projekt „Art on Stage“ entstand in Zusammenarbeit mit dem Badischen Staatstheater, der Kunsthalle und unterschiedlichen Schulen in Karlsruhe.

Abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Klasse (soziale Struktur, Ausländeranteil, Alter, Interesse, thematische Anbindung an den Unterricht) wurde ein Kunstwerk ausgewählt, das in verschiedenen Schritten im Museum von der Museumspädagogin, im Theater von der Theaterpädagogin und in der Schule von den Lehrerinnen und Lehrern bearbeitet wurde, bis es dann als Theaterstück auf der Bühne zur Aufführung gekommen ist.

Der Einstieg in das Projekt sollte nach unserer Erfahrung vor dem Kunstwerk, also im Museum stattfinden, da die Begegnung mit dem Original, ohne vorgeschaltete Medien, vielfältige Impulse für die Texterstellung bietet.

Für eine 5. Hauptschulklasse mit einem großem Anteil an schwierigen Schülern (Lern- und Interaktionsstörungen, ADHS-Symptomatik ) wählten wir das Gemälde „Böcklin’s Grab“ von Ferdinand Keller aus.

Das erste Treffen erstreckte sich über spannende 3 Stunden, die die Schüler mit viel Konzentration und großer Begeisterung füllten. Für die Lehrerin war es frappierend zu beobachten, welches beeindruckende Maß an sozialer und kommunikativer Kompetenz die Klasse durchhalten konnte. An diesem Termin sollte die Basis für die weitere Theaterproduktion gelegt werden.

Keller Böcklins Grab
Ferdinand Keller (1842-1922), Böcklins Grab, 1901 Öl auf Leinwand, 117×99 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Bildbetrachtung

Ferdinand Kellers 1901 entstandenes Gemälde „Böcklins Grab“ ist ein mystisches, rätselhaftes Stimmungsbild, das zu geheimnisvollen Geschichten anregt.

Über dunkles und spiegelglattes Wasser hinweg blickt der Betrachter auf ein felsiges Ufer, in das sich mehrere düstere Höhlen und Grotten eingraben. Unter lilafarbenen Glycinienranken öffnet sich ein steinernes Tor, das sich durch antikische Reliefs – geflügelte Genien und ein klagendes Medusenhaupt – als Grabstätte zu erkennen gibt. Eine dunkel verschleierte Gestalt scheint den Eingang zu bewachen und spielt Harfe zu Ehren des Toten. Die Szene wird von hochaufragenden Zypressen hinterfangen und von einem geheimnisvollen Licht umspielt, das in einem in Violett- und Türkistönen schimmernden Himmel mündet.

Der ebenfalls von Keller gestaltete Rahmen greift das Dämonische der Totenstätte noch einmal auf und ist mit teils klagenden, teils furchteinflößenden, antikischen Masken dekoriert.

Ohne miteinander zu reden sollten die Schülerinnen und Schüler erst einmal für sich das Gemälde auf sich wirken lassen. Dies wurde von Claude Debussys Klavierstück „Nuages“ aus „Trois Nocturnes“, 1900, begleitet.

Arbeit mit dem Bild

Das sich nun anschließende Gespräch entwickelte sich erwartungsgemäß sehr lebhaft und lieferte bereits vielfältige Ideen für das Theaterstück. Überlegungen zur Bühne, Ideen für Kulissen und die Handlung wurden bereits angesprochen.

Hauptinteresse der Schülerinnen und Schüler lag auf dem bewachten Grotteneingang, dem Medusenhaupt, den Figurenreliefs und dem geheimnisvollen Inneren der Grotte. Viele Ideen rankten sich um die Frage, wie man Einlass in die bewachte Höhle erhalten könnte.

Die folgende Schreibübung knüpfte daran an: Entweder sollte eine Frage an die Wächterfigur oder eine Aussage zum Bild formuliert werden. Es entstanden durch zufällige Kombinationen skurrile, ungewöhnliche und geheimnisvolle Zusammenhänge, die die Stimmung des Gemäldes aufgriffen und noch einmal verstärkten.

  • Wächterfigur! Welche Musik spielst Du?
  • Aus der oberen Grotte steigt blauer Rauch auf.
  • Wie komme ich in die Grotte, ohne versteinert zu werden?
  • Die Zypressen wirken düster und erinnern an einen Friedhof. Auch der Himmel ist bläulich gefärbt.
  • Hat der Eisenring am Felsen eine Bedeutung?
  • Ich glaube, ich habe so etwas schon einmal geträumt und bin schweißgebadet wieder aufgewacht.

Diese kurzen Dialoge wurden hinter vorgehaltenen Stabmasken gesprochen, die  jeweils eine der vier unterschiedlichen Masken des Bilderrahmens wiedergaben.

medusa Museumspädagogik
Abb. ähnlich. Foto aus Rom.

Die Geschichte entwickeln

Als nächster Schritt wurde überlegt, wie man Einlass in die Grotte erhalten könne. Ein „Elfchen“ im Stil eines Zauberspruches zu verfassen, könnte dies ermöglichen und Licht ins Dunkel bringen.

Medusa
gruseliges Schlangenhaupt
gewähre uns Einlass
in dein dunkles Totenreich
Medusa

Es entstanden Gedichte, die wie Zaubersprüche wirkten, und Kurzdialoge, die es noch zu entschlüsseln galt.

Im Anschluss suchten sich jeweils 4 Schüler einen Platz im Gemälde, von dem aus sie das Geschehen verfolgen wollten, und schrieben nach dem Prinzip des „Automatischen Schreibens“ mit einer Zeitvorgabe von 8 Minuten ihre Eindrücke und Gedanken nieder. Aus dieser Zwiesprache zwischen Mensch und Ort entwickelten die Gruppen späterhin in der Schule eine Geschichte, die ihre Gefühle und Beobachtungen mit aufnehmen sollte.

Es war einmal ein Müller, der hatte auf dem Marktplatz von den Minnesängern erfahren, dass es einen sagenhaften Zauber-Ring in der Katlahöhle geben soll. Der Müller wollte sich unbedingt in der Höhle auf die Suche machen. Daher machte er sich mit etwas Proviant gleich auf den Weg.

Bald hatte er die Höhle gefunden. Es war sehr finster und man konnte nichts erkennen. Plötzlich sah er rote Augen im Dunkeln glühen. Sie kamen von einer komischen Gestalt, die auf den Stein gezeichnet war. Er machte seine Augen schnell zu und lief geradeaus weiter. Es waren sehr viele Gänge und man kam sehr schnell durcheinander. Er entschied sich, immer den größten Gang zu wählen.

Im tiefsten Inneren der Höhle fand er den Ring. Vorsichtig nahm er ihn vom Stein herunter und war froh, dass er ihn gefunden hatte. Dann machte er sich auf den Heimweg, und man hat nie wieder etwas von ihm oder der Katlahöhle gehört.

Die Geschichte proben

Diese Geschichten wurden im weiteren Verlauf unter Anleitung der Theaterpädagogin (nämlich mir) pantomimisch dargestellt. Jede 4er-Gruppe versuchte, ihre Geschichte in drei Abschnitte (Anfang – Höhepunkt – Schluss) aufzuteilen und für jede Sequenz ein „eingefrorenes“ Bild zu stellen. Das heißt, dass der wichtigste Aspekt der Szene von den Schülerinnen und Schülern bewegungslos, gleichsam erstarrt, dargestellt wurde. Von einem Bild zum nächsten bewegten sich die Darsteller dann in Zeitlupe.

Die Bilderfolge wurde der Klasse vorgeführt, ohne dass die dargestellten Geschichten bekannt waren. Die besondere Art der Präsentation (Stillstand und zeitlupenhafte Bewegung) kam der geheimnisvollen und ruhigen Stimmung des Gemäldes sehr nahe.

In den folgenden Wochen wurde die Szenenfolge und Kulissenherstellung besprochen und ausgeführt. Die Klasse entschied sich für ein puristisches Bühnenbild. Lediglich das Dia des Gemäldes sollte an die Wand projiziert, der Grotteneingang gebaut werden und die Stabmasken sollten zum Einsatz kommen.

In der Eröffnungsszene kamen alle Schülerinnen und Schüler von Musik begleitet in zwei gegenläufig schreitenden Schlangenlinien mit vorgehaltenen Masken auf die Bühne und versammelten sich nebeneinanderstehend an der Wand im Hintergrund.

Museumspädagogik Toteninsel_Masken_nebeneinander Museumspädagogik Toteninsel_Masken_Gruppe

Nun lösten sich einzelne Maskierte aus der Gruppe heraus, sprachen den mysteriösen Kurzdialog mit großzügigen Pausen und reihten sich erneut ein. Die Atmosphäre des Gemäldes war bis hierhin schon sehr gut eingefangen und intensivierte sich zunehmend.

Einzelne Schüler traten nun an den Grotteneingang heran und sprachen ihren Zauberspruch, der jeweils durch den Ton einer Klangschale angekündigt wurde.

Immer im Wechsel mit den Elfchen wurde dann eine Geschichte, wie zuvor beschrieben, in Zeitlupe gespielt. Es erweckte den Eindruck, als wären die Zauberspruch-Elfchen die Auslöser für die Geschichten gewesen.

Abschließend gingen die Maskierten durch das Grottentor hindurch von der Bühne ab.

Das „Elfchen“

Die Arbeit mit dem oben erwähnten „Elfchen“3Ein Elfchen ist ein kurzes Gedicht, das eine vorgegebene Struktur hat. Ein Elfchen besteht aus „elf“ Wörtern (deshalb der Name), die sich über 5 Verszeilen erstrecken. Die Länge eines Verses unterscheidet sich von Verszeile zu Verszeile, genauso wie der Inhalt. ist eine hervorragende Möglichkeit, eine Stimmung in konzentrierten, wenigen Wörtern auszudrücken.

Vom „Elfchen“ über die Malerei zur Performance

Grau
früher Samstagmorgen
erschöpft vom Alltag
jetzt aktiv im Museum
rot

Hier eine Beschreibung dessen, wie ein Elfchen zu eigener Kreativität (in diesem Fall Malerei und Performance) anregt:

MuseumsbesucherInnen assoziieren eine Farbe, die ihrer momentanen Gemütslage entspricht, dann schreiben sie ein „Elfchen“ und setzen es im Anschluss mit selbstgewählten, unterschiedlichen Werkzeugen (Pinsel, Spachtel, Schwamm, Rakel) mit Acrylfarben in der Werkstatt in Freier Malerei um.

Nach anfänglicher Irritation können alle ihr Gedicht visualisieren und sind beeindruckt, beides nebeneinander zu sehen. Alle Bilder werden auf dem Boden ausgebreitet und die Gedichte vorgetragen, ohne die Zugehörigkeit zu verraten. Es gibt kein langes Rätseln, schnell ist klar, wie sich Worte in Farbe, Form, Struktur und Bewegung wiederfinden.

Arbeit mit den Bildern

Als nächster Schritt werden die Gemälde zu Gruppen gefügt, die Gemeinsamkeiten aufweisen. Ein spannendes und sehr differenziertes Gespräch über die eigenen Gemälde entsteht.

Jetzt in der Galerie soll eine Beziehung zu Originalen der Sammlung der Moderne hergestellt werden. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehen mit ihren Arbeiten in der Gruppe von Kunstwerk zu Kunstwerk und entscheiden sich gemeinsam für ein Original, das zu ihren Werken, Gedicht wie Bild, passt. Auch in dieser Phase werden intensive Gespräche über Form, Inhalt und Persönliches geführt.

Die Performance

Die Aufgabe für jede Gruppe ist nun, Gedichte, eigene Gemälde und Original den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern als Performance zu präsentieren.
Zusätzlich können Instrumente, CDs, bunte Tücher, Gerüche und verschiedene Kleidungsstücke miteinbezogen werden, um die Gedanken und Intentionen der Gruppe noch deutlicher zu machen.

Im Anschluss an die Aufführung vor den anderen Gruppen wird das Ganze reflektiert und intensiv über die ausgewählten Kunstwerke, den persönlichen Zugang und die Beurteilung des eigenen Ausdrucks gesprochen.

Die Motivation, sich mit Kunstwerken auseinander zu setzen, verstärkt sich bei dieser Art des Vorgehens noch. Ausgehend von der eigenen Arbeit, den persönlichen Empfindungen und Gedanken, sich dem „Fremden“ anzunähern, wird das Selbstwertgefühl und das Vertrauen auf die eigene Wahrnehmungsfähigkeit gestärkt.

Standbilder

Auch im oben beschriebenen Projekt kamen bereits Standbilder, „eingefrorene stehende Bilder“ zum Einsatz. Das Thema „Standbilder“ bzw. „Statuen“ habe ich an dieser Stelle bereits einmal beschrieben.

Während bei der „Toteninsel“ eigene Geschichten gestellt wurden, ist es auch sehr hilfreich, sich direkt an den Gemälden zu orientieren und möglichst genau die Körperhaltung nachzuahmen, die die Figuren auf dem Bild einnehmen.

Deshalb erinnert mich das Beitragsbild von Rubens auch so sehr an die Arbeit mit Standbildern.

Denn es ist erstaunlich, wie nachvollziehbar Handlungen oder Persönlichkeiten werden, wenn man sich erstmal in ihre „Haut“ begibt – und das allein durch die gleiche Haltung.

Dies könnten die Beteiligten in folgenden Nachahmungen bestimmt bestätigen!

Manet_Standbild #gemaeldenachstellen Moenche_Standbild #gemaeldenachstellen

Quelle: Instagram #gemaeldenachstellen und #tussenkunstenquarantaine

Tanz und kreatives Schreiben

Bei diesem „Art on Stage“ – Projekt haben wir uns tatsächlich einmal an historischem Barocktanz versucht – natürlich in vereinfachten Ansätzen. Auch hier folgt wieder der Projektbericht:

Pourbus, Ludwig und Elisabeth, Museumspädagogik

Bildbetrachtung: Gemälde und Personen

Frans Pourbus d. J. (1569-1622), in Antwerpen (!) geboren, war einer der meistgefragten Porträtisten des europäischen Hochadels. Pourbus porträtierte den fünfzehnjährigen Ludwig XIII. (1601-1643), Sohn Heinrichs IV. und Maria de Medicis.

Der jugend­liche König, Träger des Heiliggeistordens, war Oberbefehlshaber der fran­zösischen Truppen. Die auf dem Gegenstück porträtierte junge Frau wurde über Jahrhunderte hinweg für Anna von Öster­reich, die Gemahlin Ludwigs, gehalten. Im Jahr 2000 wurde nachgewiesen, dass Pourbus hier Ludwigs Schwester Elisabeth von Frankreich por­trätierte.

Diese Verwechslung ist eine Ironie der Kunstgeschichte, denn Anna und Elisabeth wurden auch im Leben gegeneinander »aus­getauscht«. Maria de Medici hatte 1612 den so genannten Prinzessinnen-Tausch mit dem spa­nischen Königshaus vereinbart, der 1615 offiziell an der französisch-spanischen Grenze vollzogen wurde: Anna wurde Ludwig XIII. zugeführt, dafür hatte man Elisabeths Hand Annas Bruder, dem 1605 geborenen Philipp, versprochen, mit dem Elisabeth im Jahr 1620 verheiratet wurde.

Die Arbeit mit den Gemälden

Ziel des Projektes „Art on Stage“ war jeweils die Verbindung der sinnlichen Betrachtung von künstlerischen Werken mit der konkreten Umsetzung des Gesehenen und Erlebten in einem Theaterstück, das zur Aufführung kommt.

Nach einem Besuch der Klasse 6a der Hauptschule Karlsbad in der Kunsthalle, bei dem die Bilder betrachtet und erste Eindrücke von dieser Zeit zu Papier gebracht wurden, folgten fünf Proben in der Schule mit Museumspädagogin, Theaterpädagogin und Lehrerin, in denen die Schülerinnen und Schüler die Frage nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden dieses fremden früheren und des eigenen heutigen Lebens erörterten. Entstanden ist eine bildreiche Collage, die Aspekte des höfischen Lebens der Erfahrungswirklichkeit der Jugendlichen gegenüberstellt.

Ein Teil bestand aus einem höfischen Tanz aus der Barockzeit. Diesem wurde ein HipHop-Tanz aus der Gegenwart gegenüber gestellt.

Zum Schluss diskutierten die SchülerInnen die Vor- und Nachteile des Lebens früher und heute:

  • Was meint ihr, was ist besser? Das Leben früher oder heute?
  • Toll, eine Zofe und Diener zu haben!
  • Wie schrecklich, dann könnte ich ja gar kein Durcheinander mehr in meinem Zimmer haben!
  • Ist doch egal! Denkt doch mal an die alten Tänze – vornehm und elegant!
  • Nichts für mich! Es muss schon mehr Bewegung und Action sein.
  • Oh, ich finde die Reifröcke soo schön!
  • um durch ein Korsett eingequetscht zu sein????
  • Aber wie reich die am Hofe waren!!!!!
  • Ist schon sehr angenehm, aber wenn ich immer nur machen muss, was die Erwachsenen von mir erwarten, verzichte ich doch lieber darauf!
  • Früher hätte es so hässliche Streitereien unter Kindern nicht gegeben!
  • Vielleicht! Aber ich wünsche mir keine Eltern, die streng und unnahbar sind! Ich will auch Spaß mit ihnen haben!
  • Und wenn ich mir vorstelle, ich müsste mit Halskrause und geschnürten Kleidern herumlaufen!
  • Leben früher oder heute? Eine schwere Entscheidung!

Briefwechsel

Briefe Museumspädagogik

In diesem Zusammenhang entstand auch ein spannender Schriftwechsel, der, von den SchülerInnen erstellt, den Geschwistern Ludwig und Elisabeth zugeschrieben wurde:

Collage

Hier folgt ein Beispiel für eine Collage aus Theater, Kreativem Schreiben, Tanz und Bildbetrachtungen mit einer Mehrgenerationen-Gruppe.

Das Projekt WeltBildWandel wurde vom Roncalli-Forum in Kooperation mit der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, dem Badischen Staatstheater Karlsruhe sowie Schülern der Nebenius-Realschule, der Pestalozzi-Hauptschule und SeniorInnen durchgeführt.

Zu ausgewählten Kunstwerken wurden über ein halbes Jahr hinweg sechs Führungen mit den Schülern und SeniorInnen erarbeitet.

Es kristallisierte sich das Verhältnis heraus vom „Ich“ zum „Du“, danach vom „Ich zu anderen“, und dies wurde das zentrale Thema der Inszenierung.

„Die Geschwister“ von Hans Thoma, „Die vier Ta­geszeiten“ von Wilhelm Schirmer und „Steckbrief Günther Uecker“ von Arman animierten die Gruppe über Genera­tionsfragen, Rollenverständnis in der Familie oder Freizeit­verhalten ins Gespräch zu kommen.

Gemeinsam wurden Texte geschrieben, kleine Szenen ein­studiert oder Tanzimprovisationen gezeigt. Dies machte die Bildbetrachtungen zu einem besonderen Erlebnis.

Abschließend gab es eine öffentliche Theateraufführung in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe.

AblaufWeltBildWandel

Coaching mit Kunst

Die bisherigen Beispiele beziehen sich auf die Arbeit mit einem jüngeren Publikum, aber selbstverständlich lassen sich alle diese Methoden auch auf ein Coaching für erwachsene Menschen im Berufsleben übertragen. So hatte ich es auch in meinem eigenen Kommunikationstraining mit Theatermethoden für Conn-Act Training gehalten, in diesem Fall anhand der Darstellenden Kunst.

Nachdem ein geeignetes Kunstwerk ausgesucht wurde – auch hier empfiehlt sich die Begegnung mit dem Original – beginnt auch hier der Kurs mit der Bildbetrachtung und den ersten intuitiven Eindrücken des/ der Teilnehmenden.

Gezielte Nachfragen, wie z.B. zu Personen im Bild, Farben, Komposition, Gegenstände usw., vertiefen die Beobachtung und regen zu ersten Assoziationen und Deutungen an.

Dieser Schritt ermöglicht eine sinnvolle Distanzierung bzw. De-Zentrierung vom ursprünglichen Anliegen, um erst später wieder darauf zurück zu kommen. Denn durch die Konzentration auf das Werk kann der/die Teilnehmende beginnen, ihr Thema aus einer anderen Perspektive zu betrachten. In diesem Moment werden Anliegen und Bild immer wieder miteinander gespiegelt, sodass Analogien, Differenzen, Assoziationen entdeckt und in die eigene Fragestellung integriert werden können.

Im Folgenden möchte ich ein besonderes Beispiel zitieren, weil es sich auf ein Werk in Karlsruhe vor Ort in der Staatlichen Kunsthalle (zu sehen nach der Wiedereröffnung nach Umbau) bezieht. Es handelt sich um Anselm Feuerbach, Das Gastmahl des Plato von 1869, das als Ausgangspunkt für das Coaching-Konzept „Coaching vor Kunst“ dient (Quelle unten).

Teamentwicklung: Anselm Feuerbach, Das Gastmahl des Plato, 1869

„Ein Klient stand unmittelbar vor dem Aufbau eines neuen Teams in einem Start-up-Unternehmen. Die Aufgabe lag gewissermaßen noch vor ihm und er hatte das Anliegen, diese Situation schon zu diesem Zeitpunkt zu durchdenken.

Seine Frage war: Wie kann ich mich gut für die bevorstehende Aufgabe rüsten und was sind meine persönlichen Anliegen, um diese Situation zu meistern?

Ihm wurde das Bild „Gastmahl des Plato“ von Anselm Feuerbach vorgeschlagen. Es zeigt einen großen Saal mit zwei Gruppen von Gästen.

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Das Geschehen spielt in einer klassischen griechischen Architektur. Die beiden Gruppen sind jeweils in einer Dreiecksform komponiert und stehen sich gegenüber.

Die eine Gruppe befindet sich im konzentrierten Gespräch, die andere, die offensichtlich ausgelassen fröhlich ist, scheint gerade von links den Raum betreten zu haben. In der Mitte steht der Gastgeber, der die ausgelassene Gruppe eher zögerlich begrüßt.

Der erste Blick

Der Klient beschrieb zunächst, die einzelnen Bildelemente, die auf dem Werk zu sehen sind. Dann folgten Assoziationen zur Körpersprache, zu der Bildung der Gruppen und zur Rolle des Gastgebers, welcher ihm als eine Art Vermittler erschien, der beiden Gruppen behutsam in Verbindung zu bringen versucht.

Verbindung des Anliegens mit dem Bild

Nahtlos stellten sich Verbindungen zu dem eigenen anstehenden Teambildungsprozess her: Dem Klienten fiel auf, dass es ihm ein überaus wichtiges Anliegen war, bei der Auswahl der Teammitglieder und der Gestaltung der Zusammenarbeit darauf zu achten, dass ein Zusammenhalt entsteht, der alle Teammitglieder umfasst und diese Freude an der Arbeit und Konzentration erleben können. (…)

Das Motiv des Gastgebers wurde Anlass, über das eigene Führungsverständnis und die angestrebte Kultur der Zusammenarbeit genauer zu reflektieren und diese zu konkretisieren. Darüber hinaus kam zur Sprache, was in der praktischen Organisation der zukünftigen gemeinsamen Arbeit beachtet werden sollte.

Das Anliegen wurde auf diese Weise in kürzester Zeit durch unterschiedliche Aspekte zu Führung, Management und Kultur beleuchtet. (…)

Quelle: Marlen Nebelung, Jörg Reckhenrich, Peter Winkels, erschienen im Coaching-Magazin Ausgabe 4 / 2014.

Selbstreflexion: Marc Chagall, Ich und das Dorf, 1911

Mehr mit Symbolen und unbewussten Anteilen arbeiten die Coaches von Symbolon:

„Die Fülle des Lebens zeigt Marc Chagall in dem Bild „Ich und das Dorf“. Die Lebensbereiche schieben sich ineinander, auf den ersten Blick geordnet.

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Beim intensiveren Betrachten wirkt es voll und ineinander verschachtelt. Die Dynamik, Fülle und Enge sind in den vielen überlappenden Darstellungen angezeigt. Eine kraftvolle Beziehung und starke Nähe wird im direkten Blick- und Augenkontakt zwischen den beiden Figuren wahrnehmbar.

Durch die hohe Dichte können sich die einzelnen Menschen, Lebensbereiche und Themen jedoch nicht frei entfalten.

Symbolisch könnte dies dafür stehen, dass sich ein Mensch durch zu viel Trubel im Außen selbst zu wenig wahrnimmt, oder dass das Außen den Weg und bestimmt und die innere Entscheidungsfähigkeit geschwächt ist.

Vielleicht bietet sich mit dem im Verhältnis klein dargestellten Baum ein Lösungsweg an. Der Baum (des Lebens) in der unteren Mitte erscheint strahlend und voller Potenziale. Zum Wachsen braucht er aber Raum zur Entfaltung.“

Die Beschäftigung mit Bildender Kunst enthält also immenses wertvolles Potential!

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