25 Rollenmonologe zum Üben und Vorsprechen

25 Rollenmonologe zum Üben und Vorsprechen

Über viele Jahre hinweg habe ich halbjährlich einen Schauspielkurs gegeben, der sich gezielt an erwachsene Anfänger/-innen richtete („Schauspielunterricht für Quereinsteiger“).

Ein wichtiger Teil dieses Kurses war die Arbeit an der Rolle anhand eines vorgegebenen Textes, nämlich eines Monologs aus einem Werk der klassischen oder modernen Dramenliteratur. In dieser Zeit habe ich deshalb einige Rollenmonologe zusammen gesucht, die ich hier gern vorstelle.

Die meisten Monologe sind schon bearbeitet, d.h. für den kompletten Text lohnt sich dann der Blick ins Buch.

Jeder Monolog ist sprachlich und situativ anders, und es gibt keine „richtige“ oder „falsche“  Darstellung – im Gegenteil durfte ich bei jeder Interpretation durch die Teilnehmenden immer neue Facetten der jeweiligen Figur kennen lernen. Das gilt auch für den Umgang mit den Texten: jede Wendung, Kürzung und Interpretation sei erlaubt.

Natürlich ist auch das „Setting“, das Geschlecht, die Charakterisierung, „Mundwerk“, ggf. Requisit(en), zusätzliche Figuren und vieles mehr dem und der Vortragenden freigestellt.

Wie man sich einer Rolle gründlich und fundiert annähern kann, habe ich schon im Beitrag Die Arbeit der Schauspielerin an der Rolle beschrieben.

Das Titelbild ist übrigens ein Szenenbild aus „Die herausfallenden Frauen“ des Theaters Mäanda nach Texten des absurden russischen Schriftstellers Daniil Charms. Wer sich diesen Monolog einmal anschauen möchte, sei hier herzlich eingeladen (unter der Tabelle) – auch wenn ich sagen würde, dass er als Vorsprechtext nicht wirklich geeignet ist.

Rollenmonologe

Autor/-inTitelRolleGeschlecht (nicht bindend)Link
AristophanesLysistrataLysistratawLink
Brecht, BertoltMutter Courage und ihre KinderMutter CouragewLink
Büchner, GeorgLeonce und LenaLeoncemLink
Feuchtwanger, LionDie Kriegsgefangenen (1919)RosawLink
Goethe, Johann Wolfgang vonFaust IMephistofelesmLink
Gogol, NikolaiDie HeiratAgafjawLink
Goldoni, CarloMirandolinaMirandolinawLink
Gorki, MaximNachtasylSatinmLink
Hofmannsthal, Hugo vonElektraElektrawLink
Ibsen, HendrikNora oder ein PuppenheimKrogstadmLink
Ibsen, HendrikNora oder ein PuppenheimNorawLink
Miller, ArthurHexenjagdAbigailwLink
Miller, ArthurTod eines HandlungsreisendenWilly LomanmLink
MolièreDie gelehrten FrauenArmandewLink
Müller, HeinerQuartettMerteuilwLink
Reinshagen, GerlindEisenherzBillerbeckwLink
Sartre, Jean-PaulDie FliegenOrestmLink
Schiller, FriedrichMaria StuartKönigin ElisabethwLink
Schiller, FriedrichMaria StuartMaria StuartwLink
Schiller, FriedrichDon CarlosKönig PhilippmLink
Shakespeare, WilliamKönig LearEdmundmLink
Shakespeare, WilliamHamlet, Prinz von DänemarkHamletmLink
Shakespeare, WilliamHeinrich V.Heinrich V.mLink
Shakespeare, WilliamMacbethLady MacbethwLink
Schnitzler, ArthurDer einsame WegIrene HermswLink
SophoklesAntigoneAntigonewLink
Tschechow, AntonDrei SchwesternIrinawLink
Tschechow, AntonPlatonovOsipmLink
Wilde, OscarSalomeSalomewLink

Die herausfallenden Frauen (UA: 1998, Berlin)

Theater Mäanda – Monolog

Im Daniil-Charms-Schreibbüro sitzen das Fräulein, die Alte, der Mathematiker, der Dreckskerl und registrieren die Welt. Sie leben und sterben in den Geschichten, die sie schreiben.
„… und auf dem Ofen sitzt die Kakerlake Tarakan, die Axt in der Hand.“

Das Fräulein

Ich möchte Ihnen einen Vorfall erzählen, der sich mit einem Fisch ereignet hat. Oder eigentlich genauer, nicht mit einem Fisch, sondern mit einem Menschen namens Patrulev.

Eigentlich, noch genauer, mit Patrulevs Tochter. Beginnen wir direkt bei der Geburt. Apropos Geburt, bei uns wurde auf dem Fußboden entbunden… Oder erzählen wir das lieber später. Offen gesagt: Patrulevs Tochter wurde an einem Sonnabend geboren. Bezeichnen wir diese Tochter mit dem lateinischen Buchstaben M. Nachdem wir diese Tochter mit dem lateinischen Buchstaben M bezeichnet haben, stellen wir fest:

1. Zwei Arme, zwei Beine, besondere Anzeichen keine.
2. Die Ohren verfügen über dasselbe wie die Augen.
3. Laufen ist ein Zeitwort, das auf Fuß lautet.
4. Fühlen ist ein Zeitwort, das auf Hand lautet.
5. Einen Schnurrbart haben kann nur ein Sohn.
6. Mit dem Scheitel kann man nicht sehen, was an der Wand hängt.
17. Beachten Sie, daß nach der 6 die 17 kommt.

Um das Bild aufzufüllen, merken wir uns diese siebzehn Postulate.

Jetzt stützen wir uns mit der Hand auf das 5. Postulat und schauen, was dabei herauskommt. Wenn wir uns auf das 5. Postulat mit einem Handwagen stützen würden oder mit dem Zucker oder einem naturfarbenen Band, so müsste man sagen, noch etwas. Aber in Wirklichkeit stellen wir uns vor, und der Einfachheit halber vergessen wir auch bald, was wir uns soeben vorgestellt haben.

(…)

Gehen wir jetzt über zu Patrulevs Tochter. Ihre Hochzeit war, nun sagen wir, dann und dann. Wenn die Hochzeit früher gewesen wäre, so würden wir sagen die Hochzeit hätte vor der Zeit stattgefunden. Wenn die Hochzeit später gewesen wäre, so würden wir sagen „Welle“, weil die Hochzeit später stattgefunden hätte.

Alle siebzehn Postulate oder sogenannten Federn sind vorhanden. Gehen wir jetzt über zum Weiteren.

Das Fräulein schläft ein.
Die Alte und der Dreckskerl tippen.

 

Text aus: Urban, Peter (Hg.) Daniil Charms, Fallen, Ffm. 1985, S. 65ff.

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